Jobkompass: Die SonderpädagoginInklusiver Unterricht: Für alle Kinder eine passende Aufgabe
Eine Klasse, viele Kinder, darunter einige mit Förderbedarf: Um allen gerecht zu werden, sind Empathie, Kreativität und Flexibilität gefragt.
Manchmal ist das Spiel schon nach wenigen Runden vorbei: „Es gibt Kinder, gegen die hast du beim Memory keine Chance, so gut ist ihr Kurzzeitgedächtnis“, erzählt Lena. „Und das, obwohl sie im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung unterwegs sind.“ Diese Erkenntnis nutzt die Sonderpädagogin für ihren Unterricht: Prompt ersetzt sie das klassische Memory durch eine Version mit Vokabeln und Fotos.
Umdenken, damit andere etwas lernen können – das gehört für Lena Stuhlmacher, die an einer Schule in Hamburg unterrichtet, zum Alltag. „Zunächst lernen Kinder über ihre Sinne, also durch Anfassen und Ausprobieren“, erklärt die 29-Jährige. „Später dann auch über die Lesekompetenz.“ Doch in ihrer Klasse sind auch Jungen und Mädchen, die wegen einer geistigen Behinderung nicht lesen können. Auch ihnen muss die Sonderpädagogin Lernangebote machen. „Das ist immer wieder eine spannende Herausforderung.“
Drei Fragezeichen oder TKKG?
Für Lena ist der Umgang mit Behinderungen schon lange eine Selbstverständlichkeit: Als sie selbst zur Schule geht, sind Kinder im Rollstuhl Teil der Klassengemeinschaft, außerdem ein Schüler mit Downsyndrom, der großer TKKG-Fan ist. „Ich fand die Drei Fragezeichen besser, wir haben immer ausgiebig diskutiert“, erinnert sich die gebürtige Hamburgerin. Nach dem Abitur absolviert sie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und begleitet Kinder mit Förderbedarf im Unterricht. Klar ist: Sie will auch weiterhin Kinder mit Behinderungen fördern, aber auch unterrichten – in Flensburg beginnt sie deshalb ein Studium der Sonderpädagogik und Geschichte.
Manchmal klappt der Unterricht nicht wie geplant. Da muss man flexibel reagieren und improvisieren.
Lena
Je nach Bundesland, Universität und Hochschule ist das Studium unterschiedlich aufgebaut. „Ich musste schon im zweiten Semester ein Schulpraktikum machen, das ist aber nicht immer so“, erzählt Lena, die es für sinnvoll hält, früh Praxiserfahrungen zu sammeln. Denn: „Wer letztlich doch nicht so gerne vor einer Klasse steht, sollte das nicht erst im letzten Semester merken.“
Im Bachelorstudium lernt sie vier Förderschwerpunkte kennen: Sprache, emotionale und soziale Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung sowie geistige Entwicklung. Auf Letzteres spezialisiert sie sich im Masterstudium, eine sehr bewusste Entscheidung: „Ich finde, dass die Gesellschaft noch nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Menschen mit geistiger Behinderung eingeht. Das will ich ändern“ – schließlich könnten geistige Einschränkungen alle treffen, verursacht durch eine unglückliche Geburt, einen Schlaganfall oder eine Hirnhautentzündung.
Flexibel bleiben, wenn mal etwas nicht klappt
Nach dem Studium folgt der sogenannte Vorbereitungsdienst, das Referendariat. Lena absolviert es in Hamburg, dort dauert es 18 Monate. Seminare besuchen, Konzepte erarbeiten und reflektieren, sich in der Unterrichtspraxis bewähren: Für viele angehende Lehrer*innen ist das Referendariat eine besonders fordernde Zeit. „Stressresistenz ist auch später im Job eine nützliche Eigenschaft“, sagt Lena. Außerdem entscheidend: Empathie, Kreativität und Flexibilität. „Manchmal klappt der Unterricht nicht wie geplant. Da muss man flexibel reagieren und improvisieren.“
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Es gibt viele Unterrichtsstunden, an die sich die junge Lehrerin gerne zurückerinnert – darunter eine zum Thema „Pest im Mittelalter“: Während die Kinder ohne Förderbedarf Textquellen lesen und auswerten, bastelt ein Mädchen mit Förderbedarf eine Pestmaske, wie sie die Menschen im Mittelalter getragen haben. Im Anschluss diskutiert die Klasse gemeinsam über die Frage, wie sich die Gesellschaft früher und heute vor Krankheiten geschützt hat. „Da konnte ich das Mädchen super einbinden, die Stunde war für mich ein Beispiel für besonders gelungene Inklusion.“
Text: Christoph Dierking
FAQ: Sonderpädagog*in werden
Welche Voraussetzungen muss ich für die Ausbildung mitbringen?
Für die Ausbildung ist in der Regel die Allgemeine Hochschulreife erforderlich.
Wie lange dauert die Ausbildung?
Das Studium setzt sich aus einem Bachelor- und Masterstudiengang zusammen; die Regelstudienzeit beträgt zehn Semester, also insgesamt fünf Jahre. Darauf folgt der Vorbereitungsdienst, das Referendariat. Je nach Bundesland dauert es in Vollzeit zwischen zwölf und 24 Monate.
Was sind zentrale Ausbildungsinhalte?
Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Psychologie, Pädagogik, Bildungswissenschaft – all das steht auf dem Ausbildungsplan. Im Referendariat erarbeiten angehende Lehrkräfte Konzepte für Schulstunden und unterrichten. Begleitet wird die praktische Ausbildung durch Haupt- und Fachseminare, mitunter auch Medienseminare.
Wo findet die Ausbildung statt?
Ein Lehramtsstudium lässt sich bundesweit an Universitäten und Hochschulen absolvieren. Auch der Vorbereitungsdienst ist bundesweit an Schulen möglich. Die begleitenden Seminare finden in der Regel in Instituten für Lehrerfortbildung statt und sind bestimmten Einzugsgebieten zugeordnet, abhängig vom Standort der Schule.
Was verdiene ich?
Fertig ausgebildete Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis werden in der Regel in die Entgeltgruppe E13 eingeordnet; verbeamtete Lehrkräfte in der Regel in die Besoldungsgruppe A13. Die Höhe des Einkommens richtet sich nach dem Bundesland.
Die aktuellen Entgelt- und Besoldungstabellen veröffentlicht der dbb beamtenbund und tarifunion.
Welche Karrierechancen bieten sich mir nach der Ausbildung?
Referendar*innen ausbilden, Fortbildungen in pädagogischen Landesinstituten geben, eine Fachbereichs- oder gar Schulleitung übernehmen – wer sich weiterentwickeln möchte, hat viele Optionen. Es gibt auch Lehrkräfte, die sich entscheiden, für eine bestimmte Zeit in Museen und Gedenkstätten zu arbeiten.
Eine weitere Möglichkeit ist die Qualitätssicherung. Heißt: Im Auftrag der Länder Schulvisitationen vornehmen und prüfen, ob in der Schule alles seine Richtigkeit hat. Nicht zuletzt können sich Lehrkräfte in Personalräten engagieren, in die Forschung gehen und an Universitäten Didaktik unterrichten.
Wo finde ich weitere Informationen?
Wer Sonderpädagogik – mit oder ohne Lehramt – studieren möchte, findet weitere Informationen auf den Websites der Universitäten und Hochschulen, die entsprechende Studiengänge anbieten.
Über die Organisation der Ausbildung für Lehrkräfte insgesamt informiert die Kultusministerkonferenz (KMK) im Sachstand Lehrerbildung. Spezifische Informationen zur Ausbildung in den Bundesländern bieten die jeweiligen Kultusministerien.