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An Protestaktionen, die im Rahmen von Einkommensrunden stattfinden, dürfen Beamt*innen nur in ihrer Freizeit teilnehmen. Foto: Windmüller
Streikverbot Warum dürfen Beamte und Beamtinnen nicht streiken?
Oft sind Kundgebungen, Warnstreiks und Streiks fester Bestandteil von Einkommensrunden. Für Beamt*innen gilt jedoch ein Streikverbot – und das aus gutem Grund, erklärt die dbb jugend.
Wenn Gewerkschaften ihre Ziele durchsetzen wollen, zum Beispiel eine bessere Bezahlung, rufen sie zu Protestaktionen auf, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Der Protest findet – abhängig vom Verlauf der Tarifverhandlungen – in unterschiedlicher Intensität statt.
Wer die Feuerwehr ruft, will schnellstmöglich Hilfe bekommen und nicht hören, dass sie gerade streikt.
Sandra Heisig, stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend
Bei der niedrigsten Stufe, der Kundgebung, geht es vor allem darum, die eigenen Positionen zu verdeutlichen. Wenn die Verhandlungen mit den Arbeitgebenden stocken, erhöhen die Beschäftigten den Druck mit Warnstreiks. Wenn das nichts nützt und keine Einigung erfolgt, bleibt der unbefristete Streik als schärfstes Mittel. Dieser erfordert eine Urabstimmung. 75 Prozent der stimmberechtigten Gewerkschaftsmitglieder, die ihre Stimme abgegeben haben, müssen sich dafür aussprechen.
Streikverbot für Beamt*innen im Grundgesetz verankert
In Deutschland besteht Koalitionsfreiheit. Das bedeutet: Alle dürfen „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ Vereinigungen bilden, wie es im Grundgesetz heißt (Art. 9 Abs. 3). Im Klartext: Alle dürfen sich Gewerkschaften anschließen und für ihre Interessen einstehen. „Das schließt natürlich auch Beamtinnen und Beamte mit ein“, sagt Sandra Heisig, stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend.
Im Grundgesetz sind die sogenannten „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ festgeschrieben (Art. 33 Abs. 5). Zu diesen Grundsätzen gehört unter anderem das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte.
„Sinn und Zweck ist, dass der Staat seine Aufgaben verlässlich erfüllen kann“, erklärt Heisig. „Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass er dazu in der Lage ist.“
Deshalb sind beispielsweise Feuerwehrleute verbeamtet. „Die Feuerwehr muss 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr einsatzbereit sein. Wer sie ruft, will schnellstmöglich Hilfe bekommen und nicht hören, dass sie gerade streikt.“
Trotz Streikverbot: Dürfen Beamt*innen den Arbeitskampf unterstützen?
Grundsätzlich lässt sich diese Frage mit „Ja“ beantworten. Wer verbeamtet ist, muss zwar sein Amt neutral ausführen, ist aber ebenso Träger*in von Grundrechten und darf vom Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen.
„Beamtinnen und Beamte dürfen an Protestaktionen teilnehmen, die im Rahmen der Einkommensrunde stattfinden“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend. Allerdings mit einer Einschränkung: „Sie müssen das in ihrer Freizeit tun, außerhalb des Dienstes.“ Dann handelt es sich – formal betrachtet – nicht um die Teilnahme an einem Streik und entsprechend nicht um einen Verstoß gegen das Streikverbot.
Es gilt: Die Teilnahme an Protestveranstaltungen in der Freizeit ist auch für Beamt*innen zulässig und darf vom Dienstherrn nicht unterbunden werden.
Heisig unterstreicht: „Wer allerdings während der Dienstzeit die Arbeit niederlegt, verstößt gegen beamtenrechtliche Pflichten und muss mit Disziplinarmaßnahmen rechnen.“
Mehr entdecken: FAQ – Basics rund um Beamtenverhältnis, Besoldung und Laufbahn
EGMR bestätigt Streikverbot für Beamte
Das Streikverbot, das mit dem Beamtenstatus einhergeht, war bereits Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Verbeamtete Lehrkräfte hatten ihre Arbeit niedergelegt, um während der Dienstzeit an Streikaktionen teilzunehmen. Daraufhin verhängten die zuständigen Disziplinarbehörden Geldstrafen, was die Lehrkräfte nicht hinnehmen wollten. Sie klagten, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stärkte ihnen den Rücken.
Das Gerichtsverfahren erstreckte sich über mehrere Instanzen. 2018 bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Rechtsmäßigkeit des Streikverbots. Das Streikverbot für Beamt*innen, das einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums darstellt, sei Teil der institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG und deshalb vom Gesetzgeber zu beachten, so das Gericht. Ein Streikrecht würde in den grundgesetzlich gewährleisteten Kernbestand von Strukturprinzipien eingreifen sowie das Verständnis und die Regelungen des Beamtenverhältnisses grundlegend umgestalten. Das Bundesverfassungsgericht argumentiert dahingehend, dass das Streikverbot maßgeblich für die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses ist.
Im Dezember 2023 bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) das Urteil. Das für deutsche Beamtinnen und Beamte geltende Streikverbot sei zulässig und verstoße nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
„Die dbb jugend steht uneingeschränkt zum Streikverbot für Beamtinnen und Beamte“, resümiert Sandra Heisig. „Beamtenstatus und Streikverbot gehören zusammen wie Rechte und Pflichten!“
Redaktion: cdi