-
Claus Weselsky war von 2008 bis 2024 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Nun ist er Bundesehrenvorsitzender. Foto: GDL
InterviewVon „Nieten im Nadelstreifen“ und „Bahnsinnigen“ – wie Claus Weselsky auf seine Amtszeit blickt
Im September hat Deutschlands bekanntester Gewerkschafter den GDL-Bundesvorsitz abgegeben. Aber das heißt nicht, dass er im Ruhestand ist. Ein Gespräch über Ideale, Satire und die Anfänge einer langen Karriere.
Der erste Warnstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat drei Stunden gedauert, er fand im Jahr 1990 statt. Die Mitglieder kämpften dafür, dass die Löhne auch in ihrem Fall im Verhältnis 1:1 auf Westmark umgestellt werden. Mit dabei: Claus Weselsky, eingetreten am 1. Mai 1990, beflügelt von der Berufsehre und dem Berufsstolz, wie er rückblickend sagt.
Für den gebürtigen Dresdner folgte eine steile Karriere in der GDL, ab 2008 stand er als Bundesvorsitzender an ihrer Spitze. Im vergangenen September war Schluss. Weselsky übergab das Amt an seinen Nachfolger Mario Reiß, die Gewerkschaft ernannte ihn zum Bundesehrenvorsitzenden. Die eindrucksvolle Urkunde thront zum Zeitpunkt des Interviews mit #staatklar noch auf einem Bürostuhl, auf dem Tisch davor weitere Abschiedsgeschenke der Kolleginnen und Kollegen. Bemerkenswert: ein vergoldetes Rückgrat, das einer Siegestrophäe gleicht.
In den Sozialen Netzwerken kursiert ein Foto, auf dem Deutschlands härtester Gewerkschafter, wie ihn Medien mitunter bezeichnen, zu sehen ist, die Arme hochgestreckt. Sein T-Shirt weckt bei „Star Wars“-Fans Assoziationen: „Das wars. Mit der Arbeit möge die Rente mit dir sein. Letzte Episode“, steht dort mit gelben Buchstaben geschrieben.
#staatklar: Herr Weselsky, mögen Sie „Krieg der Sterne“?
Claus Weselsky: Ich habe einige Filme gesehen, die haben mir auch gefallen. Aber als Fan würde ich mich nicht bezeichnen. Über das T-Shirt habe ich mich natürlich trotzdem gefreut; es ist ein Geschenk der GDL-Ortsgruppe Eberswalde. Bei unserer internen Verabschiedung habe ich es mir gegriffen und übergezogen, bevor ich auf die Bühne bin. Und dann habe ich die Arme hochgerissen. So ist das Foto entstanden.
Interne Verabschiedung? Es gab doch eine feierliche Abschiedszeremonie, an der auch Ministerpräsident Michael Kretschmer teilgenommen hat.
Korrekt, die war ein Tag später. Das war mir ganz recht, damit ich die Emotionen etwas niederkämpfen konnte.
Emotionen sind doch völlig normal.
Das eine sind feuchte Augen, das andere, wenn es einem die Sprache verschlägt. Das wollte ich unbedingt vermeiden, wenn der Ministerpräsident da ist, denn das gehört sich für mein Dafürhalten nicht.
Auf dem T-Shirt ist von der „Letzten Episode“ die Rede, aber Sie sind noch viel unterwegs, geben Interviews. Haben Sie einen Fahrplan, um runterzudimmen?
Hören Sie mal, ich bin doch schon runtergedimmt! (lacht). Die ganzen administrativen Aufgaben sind weg. Unsere Büroleiterin ruft mich nur noch gelegentlich einmal pro Woche an, nicht mehr täglich. Und ich war gerade vier Wochen im Urlaub.
Abgesehen davon: Ich wollte nie von hundert auf null, das wäre ein Desaster, da wäre ich unzufrieden mit mir selbst. Insofern: Klar, ich bin noch viel unterwegs. Organisationen und Unternehmen buchen mich für Podiumsdiskussionen oder als Keynote-Speaker. Und seitdem ich mein Amt abgegeben habe, bekomme ich zahlreiche Medienanfragen für große Interviews. Mich überrascht, dass der Ton insgesamt sehr positiv ist, denn sonst war ich immer der Buhmann der Nation. Es wirkt auf mich, als wolle man etwas gut machen und Abschied nehmen.
Ich gehöre nicht zu denen, die noch die rechte Wange hinhalten, wenn sie auf die linke eine geknallt kriegen. Da gibt’s zurück!
Claus Weselsky
Die FAZ nannte Weselsky den „Mann, der Deutschland tief und weit in die Knie zwingt“, für die Zeit pustete er „die Interessen von Millionen Reisenden in den Wind“. Und ja, der Mann polarisiert, er ist für seine markigen Aussagen bekannt. Die Bahnvorstände betitelte er als „Nieten im Nadelstreifen“. In einem Fernsehinterview interpretierte er eine biblische Botschaft neu: „Ich gehöre nicht zu denen, die noch die rechte Wange hinhalten, wenn sie auf die linke eine geknallt kriegen. Da gibt’s zurück!“
Nach diesem Credo handelte der Gewerkschafter unter anderem, als die Bild-Zeitung die Telefonnummer seines Büros veröffentlichte, während der Tarifrunde 2014/2015. Die Schlagzeile: „Der Größen-Bahnsinnige“. Darunter die Aufforderung, dem Gewerkschafts-Boss unter der angegebenen Nummer „die Meinung zu geigen“ – doch der ließ das Telefon prompt an das Büro des damaligen Bahnchefs Dr. Rüdiger Grube umleiten. Denn der „Bahnsinnige“ habe schließlich bei der Bahn gesessen, erklärt Weselsky. So habe er es am Folgetag auch im Morgenmagazin im Interview mit Mitri Sirin verkündet.
Wissen Sie eigentlich, wie viele Anrufe weitergeleitet wurden?
Geklingelt hat es ununterbrochen, aber die Zahl der Anrufe ließ sich nicht genau nachvollziehen. Ich nehme an, das Sekretariat von Herrn Grube hat das Telefon ebenfalls umgestellt. Aber geäußert hat sich Bahn dazu nie.
Die Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, dass man Ideen entwickeln und dabei Spaß haben muss! Der Bahnvorstand hat die Bild-Zeitung mit Informationen versorgt, die auf mich abzielten, weil sie mich als Person beschädigen und so die Gewerkschaft kleinkriegen wollten. Aber sie sind damit nie durchgekommen. Ich muss sagen: Es hat mir immer Freude gemacht, mich gegen die Attacken zu wehren!
War das schon immer so?
Nein, den Umgang mit Medien muss man lernen. Vor allem eine gewisse Sensibilität dafür, wie Aussagen genutzt werden können, ist wichtig.
Eine wichtige Lektion habe ich beim Sächsischen Beamtenbund gelernt, da war ich mal Pressesprecher. Vor mir ein Kamerateam, inhaltlich ging es um das Beamtentum. Die haben die Fragen ständig wiederholt, in sämtlichen Varianten, immer hat etwas nicht gepasst. Entweder die Reihenfolge, die Länge des Statements, was weiß ich. Irgendwann kam die Frage: „Schläft ein Beamter im Büro auch mal?“
Ich meinte, das könne durchaus vorkommen. Sie ahnen es, dieser Satz war der einzige, der gesendet wurde. Seitdem achte ich darauf, wem ich vertraue und Interviews gebe. Mit Bild habe ich nur zweimal gesprochen.
Es gab immer auch sehr viele Menschen, die für Streiks kein Verständnis hatten. Haben Sie sich noch auf die Straße getraut?
Ich bin immer in der Öffentlichkeit unterwegs gewesen, es gab nie einen Vorfall. Es ist doch vollkommen normal, dass die Leute Wut im Bauch haben, wenn wir ihnen das Verkehrsmittel nehmen. Die müssen sich umorganisieren. Das ist eine massive Beeinträchtigung.
Aber ich scheue mich nicht davor, Rede und Antwort zu stehen, im Gegenteil: Das gehört zum Job. Einmal, das war im Zug von Berlin nach Leipzig und ich hatte gerade im Bordbistro meinen Grüntee bestellt, da baute sich eine Dame vor mir auf. „Herr Weselsky, das tut man nicht!“ So ging das Gespräch los. Ich bin aufgestanden, damit wir auf Augenhöhe stehen. Ich erwiderte: „Aha, Ihrer Meinung nach tut man das nicht. Ich verstehe Sie, offenbar sind Sie negativ beeinträchtigt. Aber wissen Sie eigentlich, warum der Herr Weselsky das tut?“
Dann haben wir diskutiert, der ganze Waggon hörte zu. Als wir in Leipzig waren, schüttelten mir alle zum Abschied die Hand. Die Dame meinte, dass es alles nach wie vor nicht sonderlich schön sei, aber sie die Argumente verstanden habe. Ein Herr sagte: „Machen Sie weiter, halten Sie durch. Aber machen Sie, dass es schnell geht!“
Es kommt vor, dass sich das Zugpersonal mit den Fahrgästen solidarisiert, wenn etwas schiefläuft. Da heißt es mitunter: „Sicher wundern Sie sich auch, warum wir hier jetzt mitten auf Strecke stehen und auf diese wunderschöne Hecke schauen müssen, ich wüsste das auch gerne …“ Klar, Sie sind in erster Linie der Gewerkschaft und ihren Mitgliedern verpflichtet – aber wäre es nicht sinnvoll, in der Kommunikation weniger konfrontativ aufzutreten und um mehr Verständnis zu werben?
Nein, das geht aus meiner Sicht gar nicht! Sie kriegen die PR der Gegenseite nicht gedreht, keine Chance. Die ganze Nation verfällt doch in negative Assoziationen, wenn die sogenannten Leitmedien und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk negativ über den Streik als solchen berichten.
Sie müssen die Mitglieder im Kopf haben, die stehen in Streikphasen unter enormem Druck. Der Ehemann kommt nach Hause, seine Frau fragt: „Ah, ihr streikt also wieder. Wie viel Geld verlieren wir?“ Vielleicht motzt noch der Nachbar, vielleicht meckern Freunde, die mit dem Zug zur Arbeit pendeln. Als Vorsitzender ist es doch meine Aufgabe, mich vor die Mitglieder zu stellen und die Gegenseite zu kontern!
Anfang der Neunziger waren Lokomotivführer in Westdeutschland noch verbeamtet. Die GDL kämpfte dafür, dass auch die Kolleginnen und Kollegen im Osten den Beamtenstatus bekommen. Außerdem setzte nach der Wende ein massiver Personalabbau ein. Ihn sozialverträglich zu gestalten, das war ein weiterer gewerkschaftlicher Fokus. „Die Arbeitsplätze waren im Westen“, erinnert sich Weselsky. „Wir haben versucht, die Leute zu überzeugen, dass ein Wechsel in ihrem Interesse liegt. Das wollte keiner gerne hören, aber so war’s.“
Das war doch nichts anderes als ein Wurmfortsatz der Partei, dem es nie um die Interessen der Lokomotivführer ging.
Claus Weselsky über den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB)
Zuletzt ging es der GDL vor allem darum, die 35-Stunden-Woche durchzusetzen. Bei vollem Lohnausgleich. Das Ziel: die Arbeitsbedingungen aufzuwerten, damit sich mehr junge Menschen für den Beruf des Lokomotivführers entscheiden. Homeoffice ist nicht möglich, man kann die Bahn ja schlecht mit nach Hause nehmen. Und am unregelmäßigen Schichtdienst lässt sich auch wenig ändern. Die Züge müssen fahren – egal, ob früh am Morgen, mittags oder spätabends. Aus Sicht der GDL war die Arbeitszeitreduzierung außer der Bezahlung eine der verbliebenen Weichenstellungen, die für die Beschäftigten nur im Schicht- und Wechseldienst der direkten Bereiche eine spürbare Verbesserung bringt.
Gewerkschaften hatten insgesamt mal einen besseren Stand. Aktuellen Erhebungen der Monopolkommission zufolge sind bundesweit lediglich 18,5 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. Wie blicken Sie darauf?
Es ist gar nicht so einfach, die Menschen abzuholen und ihnen klarzumachen, dass die Gewerkschaften die Wurzel alles Guten für bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen sind. Wenn es uns nicht gäbe, hätten wir heute noch eine 80-Stunden-Woche und keinen Urlaub. Leider wird es in einer Gesellschaft, in der so viel Wohlstand, Individualismus und Egoismus vorherrschen, immer schwieriger.
Was hat für Sie damals den Ausschlag gegeben, in die Gewerkschaft zu gehen?
Dieser beknackte FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Anmerkung der Redaktion) hat mich tierisch aufgeregt. Das war doch nichts anderes als ein Wurmfortsatz der Partei, dem es nie um die Interessen der Lokomotivführer ging. Meine Triebfeder war: Wir müssen es selbst in die Hand nehmen!
Dann hat mich mein ehemaliger Lehrlokomotivführer Lothar Hadsik ermutigt, das war noch zu meiner Zeit in Pirna. Er kam auf mich zu und erzählte, dass in Dresden der Bär steppt. Dort hatte die neue Ortsgruppe der GDL den FDBG aus dem Büro geschmissen, die Kasse konfisziert und gesagt, macht euch vom Acker, wir bauen hier jetzt unsere eigene Gewerkschaft auf. Und wir saßen in Pirna und haben nichts davon mitbekommen.
Mein Lehrmeister sagte: „Claus, in der neuen Zeit müssen neue Leute ran. Du warst nie in der Partei und hast deine Meinung immer offen gesagt. Ich möchte, dass du das machst!“ Am 1. Mai 1990 bin ich in die GDL eingetreten. Auf einmal stand ich ganz vorn und war der erste Vorsitzende der Ortsgruppe in Pirna, die wir dann gegründet haben.
Ohne Idealismus können Gewerkschaften nicht existieren. Gewerkschaftsarbeit ist eine Entscheidung, kein Karrieresprungbrett.
Claus Weselsky
Gibt es etwas, was Sie jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern mit auf den Weg geben würden, die heute am Anfang ihres Engagements stehen?
Sie müssen überzeugt sein und Spaß an der Sache haben! Ein langjähriger Weggefährte hat es mal auf den Punkt gebracht: „Du kannst nur jemanden entzünden, wenn du selbst für die Sache brennst.“ So ist es. Wichtig ist auch Idealismus. Ohne Idealismus können Gewerkschaften nicht existieren. Gewerkschaftsarbeit ist eine Entscheidung, kein Karrieresprungbrett.
Ganz vorn steht auch die Leidenschaft für den Berufsstand. Die ist bei mir nach wie vor ungebrochen. So halten Sie auch den Druck aus, der mit höheren Positionen einhergeht.
Sie haben mal gesagt, dass Sie „Raubbau am eigenen Körper“ betrieben haben.
Ja, das bezog sich vor allem auf die Tarifrunden. Die mentale Belastung ist enorm. Immer in der ersten Reihe, als Prellbock mitten in der Öffentlichkeit zu stehen, das geht nicht spurlos an einem vorüber. Bei mir hat sich das durch Verkrampfungen in Nacken und Schultern bemerkbar gemacht. Da müssen Sie einen Ausgleich finden, zum Beispiel Yoga und Osteopathie.
Genützt hat mir sicher, dass ich früher im Job gelernt habe, in der verfügbaren Zeit zu schlafen. Im Schichtdienst arbeitet man ja ständig gegen den Biorhythmus. Ich habe eine gewisse Resistenz und kann mich anpassen. In den intensiven Phasen der Tarifrunden habe ich meistens nur drei Stunden geschlafen. Die längste Verhandlung dauerte 27 Stunden. Da müssen Sie in den Pausen mal zehn Minuten powernappen, wie es auf Neudeutsch heißt.
Der Gewerkschafter legt den Kopf in den Nacken, doch die Lehne ist zu kurz – dann deutet er auf den Schreibtischstuhl: „Mit dem ginge es“, sagt er.
Theoretisch hätte Weselsky bei Tarifverhandlungen auch auf der anderen Seite sitzen können. 2007 hat ihm die Bahn den Posten eines Personalvorstands in der Infrastruktur angeboten. Er lehnte ab. Eine vertane Chance, um die Bahn im Sinne der Beschäftigten von innen heraus umzukrempeln? Klares Dementi: Das sei ein Märchen, die größte Schweinerei, die jemand von sich geben könne. Nur, wer selbst gewechselt ist, würde so etwas behaupten. „Wenn du auf der anderen Seite stehst, dann stehst du auf der anderen Seite. Und zwar zu 100 Prozent!“
Nicht bloß die Bahn hatte es auf Weselsky abgesehen, auch die Satiriker: Bei denen kommt der Gewerkschafter allerdings im Verhältnis ganz gut weg. Die „taz“ verpasste ihm als Frisur eine Dauerwelle, als er Wellenstreiks ankündigte. Einen Sketch, den die „Heute Show“ im ZDF ausgestrahlte, beendete Oliver Welke mit den Worten: „Tatsache ist, dass jeder von uns bei Verhandlungen mit Chefs gerne einen Claus Weselsky auf seiner Seite hätte.“
Und Jan Böhmermann hat ihm sogar eine Hymne gewidmet, in der heißt es unter anderem: „Kämpfe für alle, dann kämpfst du für dich! Mach’s wie Claus Weselsky und kämpfe nie nicht! Gehasst von Arbeitgebern und Boulevard, doch Claus Weselsky ist immer noch da!“
Das klingt doch schmeichelhaft, oder?
Ja, das ist großartig! Wissen Sie was? Herr Böhmermann hat mich eingeladen, er geht nächstes Jahr mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld auf Tour. In Frankfurt werde ich dabei sein und – wenn es klappt – auch dirigieren.
Als weniger schmeichelhaft haben Sie die Werbung der Autovermietung Sixt & Jung von Matt empfunden, gegen die Sie gerichtlich vorgegangen sind. Das Unternehmen hatte mit Plakaten geworben, mit Ihrem Foto und dem Schriftzug „Mitarbeiter des Monats“.
Der Punkt war vor allem: Sixt hat aus meiner Person Profit geschlagen. Dafür hätten sie aus Sicht der GDL zahlen müssen. Wir wollten das Geld für die Streikkasse und haben auch nach drei Instanzen leider nicht recht bekommen.
Im September hat Sixt noch einen draufgesetzt und Ihnen zum Ende der „bahnbrechenden Karriere“ gratuliert. Dafür haben Sie sich auf LinkedIn bedankt. Woher der Sinneswandel?
Ach, aus Marketingsicht war das ja alles schon genial, das muss man anerkennen. Ich habe mich durchaus amüsiert, die Ideen waren kreativ. Und letztlich ist es ja so: Sie müssen mit den Dingen, die Sie nicht ändern können, umgehen, leben und am besten etwas daraus machen.
Mehr entdecken – Junge GDL: „Wir sind kein Schoßhündchen, sondern eine Gewerkschaft!“
Und was ist Ihre Lieblingssatire?
Eine Karikatur von Heiko Sakurai, die habe ich ihm sogar abgekauft. Die ist ein Ritterschlag für meine Arbeit! Zu sehen sind US-Präsident Biden und Chinas Staatspräsident Xi. Biden sagt: „Seien wir ehrlich. Wir führen zwar Supermächte an, aber der härteste Hund, mit dem wir uns beide nicht anlegen würden …“ – Xi vollendet: „… ist Claus Weselsky.“
Zurück zum „Krieg der Sterne“, da läuft es mit der Mobilität ja wesentlich geschmeidiger als bei der Bahn. Was kann die Bahn von fremden Galaxien lernen?
Mögen wir die Macht haben, endlich die Infrastruktur vom Konzern herauszulösen! Solange ein Unternehmen mit der Rechtsform einer Aktiengesellschaft die Infrastruktur besitzt, können Sie nachhaltige Reformen vergessen. Der Bund muss die Infrastruktur führen und kontrollieren, sonst versickern Investitionen weiter im Bahnkonzern.
Und klar ist: Eine Verbesserung können wir nur mit Milliardeninvestitionen erreichen! Die wären in meinen Augen nicht als Schulden anzusehen, sondern als Investitionen in die Zukunft. Die Bahn ist langfristig in die Grütze gefahren worden, das können wir nicht mal eben kurzfristig rausreißen. Das dauert. Aber wenn wir es wollen, können wir heute die Weichen neu stellen, Steuergelder zukunftsorientiert einsetzen und den nächsten Generationen etwas hinterlassen, das pünktlich, zuverlässig, sicher und nachhaltig ist. Das gilt übrigens nicht nur für das Eisenbahnsystem, sondern für alle Infrastrukturen dieses Landes!
Interview: Anke Adamik/Christoph Dierking
Text: Christoph Dierking