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Wie lässt sich das Ehrenamt stärken? Diese Frage stand bei der Podiumsdiskussion im Fokus. Foto: Alexander Habenicht
Ehrenamt im FokusSo war das Parlamentarische Sommerfest der dbb jugend
Viele Gäste, viel Input: Beim Parlamentarischen Sommerfest der dbb jugend am 6. Juni 2024 drehte sich alles um ehrenamtliches Engagement. Hier gibt‘s alle Impulse, Statements und Gedanken zum Nachlesen.
Ehrenamt – dieses Thema hat die dbb jugend für das Jahr 2024 als Schwerpunkt auf die Agenda gesetzt. Facetten aufzeigen, Probleme analysieren, politische Forderungen formulieren, all das ist Teil der Auseinandersetzung. Entsprechend stand auch das Parlamentarische Sommerfest der dbb jugend ganz im Zeichen des Ehrenamts.
Mit dabei waren Gäste aus Gewerkschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Mehr als 100 Teilnehmende verfolgten eine Podiumsdiskussion und Impulsvorträge im „bUm – Raum für solidarisches Miteinander“ am Landwehrkanal in Berlin-Kreuzberg. An Ständen gaben Jugendorganisationen der Fachgewerkschaften Einblicke in ihre Arbeit. Bundestagsabgeordnete nutzten die Möglichkeit, um mit den jungen Gewerkschafter*innen in den Austausch zu gehen.
Ehrenamt braucht Anerkennung. Und daran hapert es teils gewaltig!
Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend
Fußballverein. Nachbarschaftshilfe. Geflüchtete Menschen dabei unterstützen, Formulare fürs Amt auszufüllen. In seiner Eröffnungsrede zeigte Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend, die vielen Facetten des Ehrenamts auf. Laut Bundesfamilienministerium engagieren sich in Deutschland fast 29 Millionen Menschen freiwillig. „Es ist offensichtlich, dass unsere Gesellschaft nur mit ehrenamtlichem Engagement funktionieren kann“, sagte Fandrejewski. Umso wichtiger sei es, dass die Politik das Engagement wertschätzt und fördert. „Ehrenamt braucht Anerkennung. Und daran hapert es teils gewaltig!“
Unter anderem kritisiert die dbb jugend, dass es – je nach Bundesland und Statusgruppe – unterschiedlich viele Sonderurlaubstage für gewerkschaftliches Engagement gibt. Beispiel: Tarifbeschäftigte des Bundes können acht Tage Sonderurlaub nehmen, Bundesbeamt*innen hingegen nur fünf. „Hier brauchen wir dringend eine Angleichung und deutschlandweit einheitliche Standards“, betonte Fandrejewski. Vorbildcharakter habe die Praxis für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Hessen, die sich grundsätzlich für gewerkschaftliche Tätigkeiten freistellen lassen können. Bedingung ist lediglich, dass es dadurch zu keiner erheblichen Einschränkung des Dienstbetriebs kommt.
Eine weitere Stellschraube, um das Ehrenamt attraktiver zu gestalten: finanzielle Anreize, etwa in Zusammenhang mit Sozialabgaben und Rentenpunkten. „Und nicht zuletzt sollten Kompetenzen, die man bei der Ausübung eines Ehrenamts erwirbt, auch im beruflichen Kontext anerkannt werden und in Beurteilungen eine Rolle spielen.“
Wer das Ehrenamt stärkt, stärkt die Demokratie.
Dr. Lilian Schwalb, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement
Vorstandswahlen, Abstimmungen über Positionen – ehrenamtliches Engagement ist häufig in demokratische Strukturen eingebettet, insbesondere in Vereinen und Verbänden. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag für die politische Bildung. „Der Zusammenhang zwischen ehrenamtlichem Engagement und Demokratie ist vielen leider gar nicht bewusst“, sagte Dr. Lilian Schwalb, Geschäftsführerin des Ressorts Netzwerk und Politik beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE). „Das wollen wir ändern. Wer das Ehrenamt stärkt, stärkt die Demokratie.“
Das BBE hat zahlreiche Vorschläge für die neue Engagementstrategie des Bundes beigesteuert, die das Bundesfamilienministerium federführend entwickelt und voraussichtlich Ende 2024 vorgestellt werden soll. Im Kern geht es um die Frage, wie der Staat das freiwillige Engagement nachhaltig stärken kann. Dazu gehört: positive Narrative vermitteln, Anträge für Förderungen vereinfachen, Prozesse für die Organisationsentwicklung unterstützen. „Eine starke Zivilgesellschaft ist zwingend notwendig, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen, darunter die Klimakrise und digitale Transformation.“
Wie die dbb jugend von der Arbeit des BBE profitieren kann? Schwalb verwies auf diverse Veranstaltungen und Arbeitsgruppen, wo alle mitdiskutieren und gestalten können. Das BBE verstehe sich als Plattform, die Wissen rund ums Ehrenamt bündelt, vermittelt und auf dieser Grundlage politische Forderungen formuliert.
Wie sich junges Engagement fördern lässt
Daniela Broda, Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR), betonte die soziale Bedeutung, die ein Ehrenamt für junge Menschen haben kann. „Wer sich ehrenamtlich engagiert, gestaltet seine Lebenswelt, erfährt Selbstwirksamkeit und knüpft Freundschaften.“ Nadine Ruf, SPD-Obfrau im Unterausschuss für bürgerliches Engagement im Bundestag, war vor ihrem Mandat lange ehrenamtlich in der Kommunalpolitik tätig. „Wenn wir junge Menschen ernst nehmen, füllen wir junges Engagement mit Leben“, so die Politikerin. Auf kommunaler Ebene habe es sich bewährt, Jugendparlamente einzuführen – „nicht bloß pseudomäßig, sondern ganz konkret mit Antrags- und Rederechten!“
Auch Mitglieder aus den Fachgewerkschaften der dbb jugend steuerten ihre Erfahrungen und Gedanken zur Diskussion bei. Melissa Luck von der Gewerkschaft Arbeit und Soziales (vbba) unterstrich die Notwendigkeit, das Ehrenamt aufzuwerten, da die Fluktuation vielerorts hoch sei. Einen konkreten Vorschlag, wie das funktionieren könnte, machte Oliver Löwe, Mitglied der Bundesjugendleitung und der Pilotenvereinigung Cockpit (VC): „Bei uns in der Branche hängt eine Beförderung ausschließlich vom Start der Beschäftigung ab. Das nimmt Druck heraus und schafft Platz für ehrenamtliches Engagement.“ Maximilian Sturm vom Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) schilderte, dass es kaum gelingt, Menschen aus ökonomisch und sozial benachteiligten Familien für ein Ehrenamt zu gewinnen. „Wir brauchen Strategien, um auch diese Menschen anzusprechen“, forderte er.
Bundestagsabgeordnete erwarten Reformen
Jenseits vom Ehrenamt kamen auf dem Parlamentarischen Sommerfest auch andere Themen zur Sprache, die den öffentlichen Dienst betreffen. „Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass Beamtinnen und Beamte 41 Wochenstunden arbeiten müssen, Tarifbeschäftigte hingegen nur 39“, beklagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ingo Schäfer. „Ich würde mir wünschen, dass wir das für die nächste Legislaturperiode ins Wahlprogramm bekommen.“
Marcel Emmerich, beamtenpolitischer Sprecher der Grünen, forderte mehr Flexibilität vom Staat als Arbeitgeber: „Wer möchte, soll innerhalb von Behörden und Laufbahnen einfacher wechseln können, das ist aktuell oft viel zu kompliziert“, sagte er. Die CDU-Abgeordnete Petra Nicolaisen erklärte, dass sie nicht müde werde, immer wieder auf die Umsetzung der verfassungskonformen Besoldung zu pochen, die bislang für Bundesbeamt*innen aussteht – und sie schlug den Bogen zurück zum Ehrenamt: „Meine Großmutter hat schon immer gesagt, dass Menschheit und Gesellschaft ohne ehrenamtlichen Engagement ein ganzes Stück ärmer wären.“
Text: Christoph Dierking