• Richard ist ausgebildeter Rechtspfleger und arbeitet aktuell bei der Justizakademie des Landes Brandenburg. Foto: Dana Koch

Jobkompass: der RechtspflegerNur dem Gesetz unterworfen

Haftbefehle vollstrecken, das Grundbuch führen, Insolvenzen überwachen: Dies sind Aufgaben der Rechtspflege – doch das ist bei Weitem nicht alles.

Ab 18 Jahren ist jeder Mensch für sich selbst verantwortlich. Allerdings können nicht alle die Verantwortung wahrnehmen, etwa wegen einer Suchterkrankung oder einer Behinderung. In solchen Fällen bestellen Gerichte einen Betreuer. „Und da kommt die Rechtspflege ins Spiel“, sagt Richard. Sie trifft die Entscheidungen. Beispielsweise, wenn jemand aus einer Wohnung in ein Heim umziehen muss. Oder wenn es ums Geld geht: „Ich hatte mal eine Betroffene, die hatte sehr viel Gold. Damit sollte, ganz in ihrem Sinne, natürlich kein Unsinn passieren.“

Es sind Fälle wie diese, für die Richard Fröhlich während seiner Zeit beim Amtsgericht in Oranienburg zuständig war. Dort arbeitete der ausgebildete Rechtspfleger in der Familien- und Betreuungsabteilung. Heute ist er in der Verwaltung der Justizakademie des Landes Brandenburg in Königs Wusterhausen tätig. Als dritte, unabhängige Gewalt hegt die Justiz den Anspruch, sich selbst zu verwalten. Entsprechend können auch die Geschäftsführung, Personal- und Haushaltsverwaltung zu den Aufgaben von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern gehören. „Doch es gibt noch zahlreiche andere Einsatzmöglichkeiten“, berichtet der 35-jährige Beamte. „Das ist es, was den Job so spannend macht.“

Wenn ein Mensch stirbt, muss jemand das Testament eröffnen und den Erbschein erteilen. Wenn Familien ein Darlehen aufnehmen, muss jemand die Grundschuld beziehungsweise die Hypothek ins Grundbuch eintragen. Und wenn Gerichte Urteile fällen, muss jemand den Haftbefehl unterschreiben und Geldstrafen einziehen. All das erledigen Rechtspfleger*innen. Hinzu kommen die Festsetzung von Prozesskosten, die Überwachung von Insolvenzverfahren und etwa die Zwangsversteigerung von Grundstücken. In kleineren Amtsgerichten ist es üblich, dass eine Person mehrere Aufgaben wahrnimmt, erklärt Richard. In den größeren Amts- und Landgerichten hingegen gibt es für jedes Rechtsgebiet eine Abteilung. „Wechsel sind möglich, keiner muss sein ganzes Berufsleben dasselbe machen.“

Unabhängig entscheiden

Ganz grundsätzlich treffen Rechtspfleger*innen Entscheidungen, ähnlich wie Richterinnen und Richter. Niemand kann ihnen hereinreden; sie sind unabhängig und ausschließlich an das Gesetz gebunden. Ihre Entscheidungen können nur auf dem Rechtsweg angefochten werden.

„Mit dem Job geht eine enorme Verantwortung einher“, betont der gebürtige Berliner. Verantwortungsbewusstsein ist eine zentrale Eigenschaft, die Anwärterinnen und Anwärter mitbringen sollten – außerdem analytisches Denken, Kommunikationsstärke und die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte schnell zu erfassen. Denn im Berufsalltag gilt es, abstrakte Gesetze auf die Lebensrealität der Menschen zu übertragen und anzuwenden. „Wir sind immer auch Übersetzer“, sagt Richard und verweist mit einem Augenzwinkern auf Paragraf 1619 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Dort heißt es:

Das Kind ist, solange es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird, verpflichtet, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten.

„Das Gesetz stammt natürlich aus einer anderen Zeit“, erklärt der Beamte. „Prinzipiell steht da verklausuliert, dass Kinder das machen müssen, was ihre Eltern sagen, solange sie bei ihnen wohnen.“ Insgesamt sei der Berufsalltag sehr realitätsnah, die abstrakten Gesetzestexte werden schnell konkret. Denn hinter jeder Akte steckt ein menschliches Schicksal.

Wunsch nach frühem Praxisbezug

In den Job gekommen ist Richard über Umwege: Nach Abitur und Wehrdienst nimmt er zunächst ein Jurastudium auf – doch er stellt fest, dass er schneller in die Praxis wechseln möchte. Für das duale Studium der Rechtspflege ist er zu spät dran, deshalb absolviert er zunächst eine Ausbildung zum Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten in Berlin. „In dieser Zeit habe ich viel mit Rechtspflegern zusammengearbeitet, was mich in der Entscheidung bestärkt hat, nach der Ausbildung weiterzustudieren.“ Gesagt, getan: 2015 startet er an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin-Friedrichsfelde in den Vorbereitungsdienst.

Mehr entdecken: FAQ – Basics rund um Beamtenverhältnis, Besoldung und Laufbahn 

Wann der Rechtspfleger mit einem guten Gefühl nach Hause geht? „Für mich waren immer die Tage, an denen ich Menschen helfen konnte, sehr erfüllend.“ Beispiel: Einmal hat Richard den Fall einer schwangeren Minderjährigen bearbeitet, die unter schwierigen Verhältnissen aufgewachsen ist. Das Verhältnis zu den Eltern war zerrüttet. „Da habe ich die Großmutter als Vormund bestellt, damit das Neugeborene nicht im leeren Raum landet.“

Text: Christoph Dierking

FAQ: Wie werde ich Rechtspfleger*in?

Welche Voraussetzungen muss ich für die Ausbildung mitbringen?

Voraussetzung ist das Abitur beziehungsweise die Fachhochschulreife.

Wie lange dauert die Ausbildung?

Der Vorbereitungsdienst dauert drei Jahre. Hinzu kommt die Prüfungszeit, die etwa drei Monate in Anspruch nimmt.

Wo findet die Ausbildung statt?

Der theoretische Teil des dualen Studiums findet in Hochschulen der Bundesländer statt – im Fall von Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist das die Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin-Friedrichsfelde. Den praktischen Teil absolvieren die Anwärter*innen in den Gerichten und bei der Staatsanwaltschaft.

Was sind zentrale Ausbildungsinhalte?

Auf dem Lehrplan stehen alle Fachbereiche des Rechts, die im Berufsleben von Bedeutung sind: vom Betreuungsrecht über das Familienrecht bis hin zum Zivilprozessrecht.

Was verdiene ich?

Die Besoldungsstufen können sich je nach Bundesland unterscheiden. Wer in den Beruf einsteigt, erhält in der Regel eine A9-Besoldung. Es ist möglich, im Laufe des Berufslebens zur A13-Besoldung aufzusteigen.

Die aktuellen Besoldungstabellen veröffentlicht der dbb beamtenbund und tarifunion.

Welche Karrierechancen bieten sich mir nach der Ausbildung?

Alle, die Führungspositionen übernehmen möchten, können innerhalb der vorgesehenen Laufbahn aufsteigen. Außerdem besteht die Option, sich als Amtsanwalt beziehungsweise Amtsanwältin weiterzubilden. Diese Berufsgruppe vertritt den Staat bei Gerichtsverfahren, ähnlich wie die Staatsanwaltschaft – lediglich mit der Einschränkung, dass sie nicht über Tötungsdelikte verhandeln darf.

Wo finde ich weitere Informationen?

Weitere Informationen gibt es bei sämtlichen Einstellungsbehörden der Länder, bei den ausbildenden Hochschulen sowie bei der Bundesagentur für Arbeit.