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Der Personalmangel in Deutschlands Gefängnissen geht zulasten der Resozialisierung, mahnt der BSBS (Symbolbild). Foto: Colourbox
Justizvollzug„Mehr Personal ist der Schlüssel“ – was sich in Deutschlands Gefängnissen ändern muss
Zu wenig Leute, mehr Gewalt: Im Justizvollzug sehen sich die Beschäftigten mit schwierigen Bedingungen konfrontiert. Zwei Gewerkschafter schlagen Alarm.
„Polizeimeldungen, Gerichtsreportagen, all das findet in den Medien viel Beachtung, und das auch zurecht“, sagt René Müller, Bundesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD). „Aber was sich hinter den Gefängnismauern abspielt, ist in der Öffentlichkeit kaum ein Thema. Dabei ist ein gut funktionierender Justizvollzug zentral für die innere Sicherheit.“
Und aktuell gibt es zu viel, was nicht funktioniert, beklagt der BSBD, und fordert von der Politik, konsequent gegenzusteuern. Die Gewerkschaft zählt etwa 25.000 Mitglieder, insgesamt gibt es bundesweit im Justizvollzug etwa 38.000 Beschäftigte.
1. Personalmangel bekämpfen
Es gibt Haftanstalten, in denen auf 70 Gefangene nur ein Beamter beziehungsweise eine Beamtin kommt. Bundesweit sind im Justizvollzug etwa 2.000 Planstellen unbesetzt. Laut Gewerkschaft bräuchte es noch 2.000 weitere, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Doch die Bewerberlage ist dürftig. Viele Bundesländer schaffen es nicht, alle Ausbildungsplätze zu besetzen.
Dem gegenüber steht eine zunehmende Gewaltbereitschaft bei den Gefangenen untereinander, aber auch gegen Beschäftigte. So erleben es die Mitglieder der Gewerkschaft in ihrem Berufsalltag. Außerdem nehme die Zahl der Gefangenen mit psychischen Problemen zu, berichten sie. Müller: „Grund dafür ist unter anderen, dass im Maßregelvollzug nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen, um die Betroffenen überhaupt zu betreuen.“
Diese Gemengelage ist nicht zuträglich für die Resozialisierung, unterstreicht der Gewerkschafter. „Wir können den Gefangenen weniger Angebote machen, weil es schwieriger ist, die Sicherheit zu gewährleisten. Mehr Personal ist der Schlüssel“ – auch in Hinblick auf Sozialarbeit und Therapie. Weiterhin kritisiert er, dass Beschäftigte in den Abteilungen zu oft alleine sind. „Zwei sollten es mindestens sein. Es ist schon etwas befremdlich, dass wir als Gewerkschaft diese Forderung stellen müssen. Aber es unterstreicht den Ernst der Lage.“
2. Arbeitsbedingungen verbessern
Um mehr Personal zu gewinnen, gilt es, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen, vor allem an der finanziellen – das ist für René Müller zentral. Er verweist darauf, dass es in der vergangenen Tarifrunde gelungen ist, die Zulage für Beschäftigte in den Pflegeberufen des Justizvollzugs auf den gesamten Geltungsbereich des Tarifvertrags der Länder (TV-L) auszudehnen.
„Das ist ein zweifelsohne ein Erfolg, aber es ist noch vieles offen“, sagt der Bundesvorsitzende. Ein Beispiel: Anders als etwa bei der Polizei können Beamtinnen und Beamte im Justizvollzug die Heilfürsorge nicht in allen Bundesländern in Anspruch nehmen. Das geht ausschließlich in Baden-Württemberg und Sachsen. In den übrigen Bundesländern müssen sie sich privat versichern, was mit höheren Kosten verbunden ist. „Da fragen sich die Kolleginnen und Kollegen schon, ob ihre Arbeit weniger wert ist als die Arbeit der Feuerwehr und Polizei. Wir brauchen in ganz Deutschland einheitliche Standards im Justizvollzug, im Übrigen nicht nur in Sachen Krankenversicherung.“
Weitere Punkte, die aus gewerkschaftlicher Sicht von Bedeutung sind: Die Justizvollzugszulage, auch als „Gitterzulage“ bekannt, sollte bei der Berechnung der Pensionsansprüche von Beamtinnen und Beamten immer berücksichtigt, also ruhegehaltsfähig werden. Zudem sollte eine arbeitgeberfinanzierte Berufsunfähigkeitsversicherung selbstverständlich sein. „Die fehlt im Fall der Tarifbeschäftigten komplett, Wertschätzung sieht anders aus“, klagt Müller. „Nicht zuletzt erwarten wir eine deutliche Anhebung der Schichtzulagen und der Zulagen für den Dienst zu ungünstigen Zeiten.“
Gerade junge Menschen erwarten eine zeitgemäße Technik!
Philipp Weimann, BSBD-Bundesjugendsprecher
3. Bundesgefängnisse für Extremisten schaffen
Der BSBD setzt sich dafür ein, dass Straftäterinnen und Straftäter, gegen welche die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe wegen Extremismus ermittelt, künftig in zentralisierten Bundesgefängnissen untergebracht werden – idealerweise direkt vor Ort.
Dies würde die Justizvollzugsanstalten unmittelbar entlasten, weil aufwendige Transporte wegfielen und es leichter wäre, die Trennung der Gefangenen sicherzustellen, erklärt BSBD-Chef Müller. „Und es ließe sich effektiv verhindern, dass Reichsbürger und Islamisten andere Gefangene für ihre Sache rekrutieren. Man könnte auch viel gezielter mit Aussteigerprogrammen ansetzen.“
4. Mehr auf die Bedürfnisse junger Menschen eingehen
„Alle genannten Punkte würden dazu beitragen, Berufe im Justizvollzug für potenzielle Fachkräfte, die wir so dringend brauchen, attraktiver zu machen“, sagt Bundesjugendsprecher Philipp Weimann. Für ihn ist auch die Dienstausstattung ein Knackpunkt: „Gerade junge Menschen erwarten eine zeitgemäße Technik!“ – da könne der Dienstherr in vielen Fällen noch nachlegen, zum Beispiel, was die Funktechnik betrifft. Sinnvoll sei nicht zuletzt, eine Vollzugsakademie für die Ausbildung ins Leben zu rufen, um bundesweit einheitliche Qualitätsstandards in der Ausbildung zu gewährleisten.
Trotz allem schätzt der junge Gewerkschafter seinen Job. „Unser Beruf ist extrem spannend, man weiß morgens nie, was einen tagsüber erwartet“, berichtet er. „Und vor allem ist er gesellschaftlich von enormer Bedeutung. Umso wichtiger ist es, dass die Politik im Sinne der Nachwuchskräfte längst überfällige Reformen endlich anpackt.“
Redaktion: cdi