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Belgien hatte das erste Halbjahr die Ratspräsidentschaft inne, seit dem 1. Juli ist Ungarn am Zug. Foto: Eugene Sergeev/Colourbox
AG EuropaMehr Klimaschutz, mehr Soziales – so war die belgische Ratspräsidentschaft
Was waren die Ziele? Was wurde umgesetzt? Und wo gab es Probleme? Die AG Europa der dbb jugend beantwortet alle Fragen zur belgischen Ratspräsidentschaft.
Belgien hat sich bei der Übernahme der Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2024 ehrgeizige Ziele gesetzt, die sich um mehrere Prioritäten drehten. Unter anderem um die folgenden:
Wirtschaftliche Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit fördern
Die Ratspräsidentschaft betonte die Bedeutung von Investitionen in grüne und digitale Technologien sowie die Notwendigkeit, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu unterstützen. Darüber hinaus wurde darauf hingearbeitet, die EU zu einem globalen Vorreiter in der Innovation zu machen, etwa durch die Förderung von Forschung und Entwicklung.
Die soziale Säule der EU stärken
Soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung und Arbeitsrechte spielten eine zentrale Rolle in der Agenda der Ratspräsidentschaft. Konkret: Belgien machte sich für den europäischen Mindestlohn und bessere Arbeitsbedingungen stark, bekämpfte Armut und soziale Ausgrenzung. Ein weiteres wichtiges Thema war die Gleichstellung der Geschlechter und die Förderung von Frauen in Führungspositionen.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit fördern
Den Klimawandel bekämpfen und Nachhaltigkeit fördern – diese Themen standen ganz oben auf der Agenda. Belgien machte Tempo bei EU-Klimazielen, insbesondere in Hinblick auf den European Green Deal.
Die Umsetzung des Fit-for-55-Pakets, mit dem die EU Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren will, war ein zentrales Thema. Darüber hinaus im Fokus: die Förderung der Kreislaufwirtschaft, des nachhaltigen Verkehrs und der Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft.
Die globale Rolle der EU stärken
Belgien wollte die Rolle der EU auf der globalen Bühne stärken. Das sollte vor allem durch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik passieren. Angesichts der geopolitischen Spannungen, insbesondere mit Russland und China, setzte sich Belgien für eine stärkere strategische Autonomie der EU ein. Gleichzeitig betonte es die Notwendigkeit, die transatlantischen Beziehungen zu den USA zu pflegen und eine engere Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern zu etablieren.
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie fördern
Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte achten – das sind Grundpfeiler der EU. Belgiens Agenda umfasste Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption, außerdem ging es darum, die Unabhängigkeit der Justiz in den Mitgliedstaaten zu stärken. Nicht zuletzt arbeitete Belgien auch daran, den Mechanismus zur Überwachung der Rechtsstaatlichkeit in der EU weiterzuentwickeln. So sollen Verstöße konsequent geahndet werden.
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Doch was wurde tatsächlich umgesetzt? Während seiner Ratspräsidentschaft konnte Belgien bedeutende Fortschritte erzielen, resümiert die AG Europa der dbb jugend.
Gesetze für mehr Klimaschutz beschlossen
Einer der größten Erfolge der belgischen Ratspräsidentschaft war die Verabschiedung mehrerer wichtiger Gesetze, um die Klimaziele der EU umzusetzen, darunter strengere Emissionsvorschriften für Industrie und Verkehr. Belgien konnte auch die Kreislaufwirtschaft effizienter gestalten, indem neue Initiativen auf den Weg gebracht wurden, nachhaltige Produktion zu fördern und Plastikmüll zu reduzieren.
Sozialmodell der EU gestärkt
Ein weiterer Erfolg der belgischen Präsidentschaft ist unbestritten: die Einigung auf einen europäischen Rahmen für Mindestlöhne. Diese sollen dazu beitragen, soziale Ungleichheiten zu verringern und den Lebensstandard der Arbeitnehmenden in ganz Europa zu verbessern. Belgien konnte auch Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter verwirklichen, beispielsweise durch Maßnahmen, mit denen sich Beruf und Familie besser vereinen lassen.
Rolle der EU als globaler Akteur gestärkt
Belgien hat dazu beigetragen, die EU in außenpolitischen Fragen stärker zu positionieren. Ein bemerkenswerter Erfolg war die Einigung auf eine gemeinsame Haltung der EU gegenüber China, die einerseits auf strategische Autonomie abzielt, aber andererseits auch den Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem asiatischen Riesen fördert.
Auch eine bessere Partnerschaft mit Afrika stand im Fokus: Diese zielt darauf ab, die Entwicklung des Kontinents zu fördern und gleichzeitig die Handelsbeziehungen mit der EU zu stärken.
Rechtsstaatlichkeit besser geschützt
Belgien unterstützte den Mechanismus zur Überwachung der Rechtsstaatlichkeit und setzte sich für strengere Maßnahmen gegen Mitgliedstaaten ein, die gegen EU-Prinzipien verstoßen. Es wurde auch ein stärkerer Fokus auf den Schutz von Journalisten und Medienfreiheit gelegt.
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Obwohl Belgien während seiner Ratspräsidentschaft beachtliche Erfolge erzielte, gab es auch Herausforderungen und Probleme, schildert die AG Europa. Dazu gehörten:
Geopolitische Spannungen
Die Spannungen mit Russland, insbesondere im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine, stellten eine erhebliche Herausforderung dar. Belgien musste sich mit den unterschiedlichen Ansichten der Mitgliedstaaten zur strategischen Antwort der EU auseinandersetzen, während es gleichzeitig versuchte, eine einheitliche Haltung zu wahren.
Interne Differenzen
Wie bei es bei jeder Ratspräsidentschaft der Fall ist, musste Belgien auch mit internen Differenzen innerhalb der EU umgehen. Besonders im Bereich der Klimapolitik und der sozialen Gerechtigkeit gab es unterschiedliche Ansichten, die Verhandlungen schwierig machten. Belgien bewies jedoch diplomatisches Geschick und konnte oft als Vermittler agieren, bilanziert die AG Europa.
Wirtschaftliche Erholung
Die wirtschaftliche Erholung von der Pandemie ist und bleibt eine Herausforderung. Während Belgien daran arbeitete, die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft zu stärken, mussten viele Mitgliedstaaten mit den Auswirkungen der hohen Inflation und den Energiekrisen kämpfen. Belgien setzte sich für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit und Solidarität innerhalb der EU ein, aber die Umsetzung dieser Ziele war nicht immer einfach.
Fazit: Prioritäten gesetzt und umgesetzt!
Welches Fazit die AG Europa insgesamt zieht? Die belgische EU-Ratspräsidentschaft war geprägt von ehrgeizigen Zielen und bedeutenden Fortschritten in verschiedenen Bereichen. Belgien nutzte seine Rolle als Ratsvorsitzender, um die EU in einer Zeit erheblicher Herausforderungen voranzubringen, sei es durch die Förderung von Klimaschutzmaßnahmen, die Stärkung des sozialen Modells oder die Positionierung der EU auf der globalen Bühne. Trotz der Herausforderungen konnte Belgien seine Prioritäten weitgehend umsetzen und dazu beitragen, die EU in eine nachhaltigere und widerstandsfähigere Zukunft zu führen.
Wie geht es im zweiten Halbjahr weiter?
Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2024 wird in vielerlei Hinsicht im Mittelpunkt des europäischen Interesses stehen. Ungarn übernimmt den Vorsitz in einer Zeit, die von geopolitischen Spannungen, wirtschaftlichen Unsicherheiten und internen Herausforderungen innerhalb der Europäischen Union geprägt ist.
Diese Spannungen werden zweifellos den Ton der ungarischen Ratspräsidentschaft prägen. Ungarn steht vor der Herausforderung, seine nationalen Interessen mit den kollektiven Zielen der EU in Einklang zu bringen, während es gleichzeitig unter Beobachtung steht, wie es seine Rolle als neutraler Vermittler in den Verhandlungen innerhalb des Rates wahrnimmt.
Text: Marc Westhöfer