• Lehrer*in werden? Ausbildung, Gehalt, Karriere: Der Job-Kompass von #staatklar liefert den Überblick.
    Alexander unterrichtet Politische Bildung und Musik an einem Gymnasium in Potsdam. Foto: Privat

Jobkompass: der LehrerFrühe Praxislust statt später Praxisfrust

Nach neun Semestern erstmals vor einer Klasse stehen und merken, es ist nicht das Richtige, das lässt sich vermeiden, sagt Alexander. Unvorhergesehenes kann trotzdem passieren.

Die stellvertretende Schulleiterin platzt in den Unterricht: „Alle gehen auf direktem Weg nach Hause, jemand hat Corona“, sagt sie. „Und ich?“, fragt Alexander. Für den Referendar steht am nächsten Tag die Abschlussprüfung an, das zweite Staatsexamen. Mit den Jugendlichen, die jetzt in Quarantäne sollen. „Das fällt aus“, sagt die stellvertretende Schulleiterin und begleitet Alexander in das Büro des Oberstufenkoordinators. Der schließt die Tür und sagt: „Heul!“ Alexander erwidert: „Und was ist, wenn ich nicht heulen muss?“ Der Oberstufenkoordinator: „Heul!“

Zum Heulen ist es in der Tat, wenn der Prüfungsunterricht steht, alle erforderlichen Unterlagen eingereicht sind, wenn nach monatelangem Druck und Stress das Ziel zum Greifen nahe scheint, und die Prüfung dann in letzter Minute abgesagt wird. Doch im zweiten Anlauf klappt es. Alexander Lipp besteht das Staatsexamen. Seit Februar 2020 unterrichtet der 29-Jährige an einem Gymnasium in Potsdam, zunächst als Referendar. Seine Fächer: Politische Bildung, Musik und Projektorientierte Kompetenzbildung. Wissen zu vermitteln, zu sehen, wie sich seine Schüler*innen weiterentwickeln, die Zusammenarbeit mit dem Kollegium, das alles sind Dinge, die er an seinem Job schätzt. Dabei gab es ursprünglich mal einen anderen Plan.

Von der Neurochirurgie zum Lehramt

Deutschunterricht, neunter Jahrgang: Die Klasse soll ihre Berufswünsche präsentieren. „Ich habe damals einen flammenden Vortrag über Neurochirurgie gehalten“, erinnert sich Alexander. Der Schüler zeigt Videos, in denen Operationen zu sehen sind. Seine Deutschlehrerin schließt die Augen, weil sie kein Blut sehen kann – und ist deshalb nur mäßig begeistert.

Aber im Laufe der Oberstufe ändert sich der Berufswunsch: Alexander ist Klassensprecher, er organisiert ein Seminar, um Wissen an andere Klassensprecher*innen zu vermitteln. „Ich habe festgestellt, dass es mir unfassbar viel Spaß macht, vorne zu stehen und zu erklären.“ Freunde und Lehrkräfte spiegeln ihm, dass er seine Sache gut macht. Schließlich steht die Entscheidung: Nach dem Abitur nimmt er in Potsdam ein Lehramtsstudium auf.

Was die Unterrichtsfächer betrifft, stehen an der Universität zunächst die Fachwissenschaften im Fokus. „Viel mehr, als man inhaltlich jemals an einer Schule unterrichten wird“, sagt Alexander. Erst später, wenn das erste Praktikum ansteht, kommt Fachdidaktik hinzu. Der Student gerät an eine besonders strenge Dozentin, die viel fordert. Bereits zwei Wochen vor dem Einsatz in der Schule müssen die Studierenden ihr vollständiges Unterrichtskonzept präsentieren. Daraufhin hagelt es Rückmeldungen, mehrere Korrekturschleifen folgen. „Ich habe sie damals verflucht, aber letztlich war das total gut, um gerade in der Anfangszeit Erfolgserlebnisse in der Praxis zu haben.“

Arbeitet zuerst an den Dingen, die ihr selbst verbessern wollt.

Alexander Lipps Tipp an alle im Referendariat

Die Praxis, ein zentrales Stichwort. Ein Freund von Alexander steht nach neun Semestern Lehramtsstudium erstmals vor einer Klasse und stellt fest: Dieser Job ist nichts für mich. „Um so etwas zu vermeiden, rate ich allen, ein duales Lehramtsstudium zu machen.“ Das sei sinnvoll, weil die Studienordnung frühe Praxiseinsätze vorsieht. In Brandenburg gibt es bereits entsprechende Studiengänge, andere Bundesländer wollen nachziehen. Eine weitere Option: Parallel zum Studium unterrichten, als Nebenjob. „Viele Schulen sind dafür angesichts des Lehrkräftemangels dankbar. Wer vor einer Klasse steht, merkt sehr schnell, ob er das hinbekommt.“

Von der Uni ins „Ref“

Endgültig in die Praxis geht es im Referendariat, umgangssprachlich „Ref“. Wie lange es dauert, richtet sich nach dem Bundesland – in Brandenburg ist es mit zwölf Monaten am kürzesten. Für die meisten angehenden Lehrkräfte ist es eine sehr fordernde Zeit. „Man muss hart an sich arbeiten und rennt in alle möglichen Richtungen, von überall kommen Impulse“, berichtet Alexander. „Und dann findet man heraus, in welche Richtung man selbst gehen möchte.“

Das geschieht unter anderem in Fachseminaren, in denen die Referendar*innen ihren Unterricht reflektieren. Außerdem gibt es Hauptseminare, in denen fachübergreifende Fragen im Fokus stehen: Wie gelingt eine gute Stundenstruktur? Was tun, wenn jemand den Unterricht stört? Und was sind gute Kommunikationsstrategien, etwa im Umgang mit Eltern? „Auch hier ist vieles von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich“, betont der gebürtige Berliner. Sein Tipp für alle, die während des Referendariats in eine Krise geraten: „Arbeitet zuerst an den Dingen, die ihr selbst verbessern wollt.“

Mehr entdecken: FAQ – Basics rund um Beamtenverhältnis, Besoldung und Laufbahn 

Und nach dem Staatsexamen folgt der Bienenstock – damit meint Alexander die Schule. „Am Morgen geht man rein, alles schwirrt um einen herum, bis nach Feierabend.“ Täglich passieren Dinge, die nicht vorhersehbar sind, darunter Probleme von Schülerinnen und Schülern. Sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, Empathie und Flexibilität, auf diese Charaktereigenschaften kommt es deshalb im Job an. „Einmal wollte ich mit der Klasse Dokus schauen. Weil im Gebäude Grundreinigung war, mussten wir den Raum wechseln. Der Beamer war da, aber keine Lautsprecher“ – und damit hatte sich das Stundenkonzept erledigt. „In solchen Situationen es immer gut, mit Humor an die Sache ranzugehen.“

Humor lohnt übrigens auch in anderen Situationen: Einmal verläuft sich Alexander auf Klassenfahrt mit einer Schülergruppe im Wald. Morgens, beim Joggen. Als alle eine Dreiviertelstunde später als angekündigt wieder an der Herberge sind, sagt er der besorgten Kollegin: „War eben eine große Runde!“

Text: Christoph Dierking

FAQ: Wie werde ich Lehrer*in?

Welche Voraussetzungen muss ich für die Ausbildung mitbringen?

Für die Ausbildung ist in der Regel die Allgemeine Hochschulreife erforderlich.

Wie lange dauert die Ausbildung?

Das Studium setzt sich aus einem Bachelor- und Masterstudiengang zusammen; die Regelstudienzeit beträgt zehn Semester, also insgesamt fünf Jahre. Darauf folgt der Vorbereitungsdienst, das Referendariat. Je nach Bundesland dauert es in Vollzeit zwischen zwölf und 24 Monate.

Was sind zentrale Ausbildungsinhalte?

Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Psychologie, Pädagogik, Bildungswissenschaft – all das steht auf dem Ausbildungsplan. Im Referendariat erarbeiten angehende Lehrkräfte Konzepte für Schulstunden und unterrichten. Begleitet wird die praktische Ausbildung durch Haupt- und Fachseminare, mitunter auch Medienseminare.

Wo findet die Ausbildung statt?

Ein Lehramtsstudium lässt sich bundesweit an Universitäten und Hochschulen absolvieren. Auch der Vorbereitungsdienst ist bundesweit an Schulen möglich. Die begleitenden Seminare finden in der Regel in Instituten für Lehrerfortbildung statt und sind bestimmten Einzugsgebieten zugeordnet, abhängig vom Standort der Schule.

Was verdiene ich?

Fertig ausgebildete Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis werden in der Regel in die Entgeltgruppe E13 eingeordnet; verbeamtete Lehrkräfte in der Regel in die Besoldungsgruppe A13. Die Höhe des Einkommens richtet sich nach dem Bundesland.

Die aktuellen Entgelt- und Besoldungstabellen veröffentlicht der dbb beamtenbund und tarifunion.

Welche Karrierechancen bieten sich mir nach der Ausbildung?

Referendar*innen ausbilden, Fortbildungen in pädagogischen Landesinstituten geben, eine Fachbereichs- oder gar Schulleitung übernehmen – wer sich weiterentwickeln möchte, hat viele Optionen. Es gibt auch Lehrkräfte, die sich entscheiden, für eine bestimmte Zeit in Museen und Gedenkstätten zu arbeiten.

Eine weitere Möglichkeit ist die Qualitätssicherung. Heißt: Im Auftrag der Länder Schulvisitationen vornehmen und prüfen, ob in der Schule alles seine Richtigkeit hat. Nicht zuletzt können sich Lehrkräfte in Personalräten engagieren, in die Forschung gehen und an Universitäten Didaktik unterrichten.

Wo finde ich weitere Informationen?

Weitere Informationen bieten die Kultusministerien der Länder sowie alle Universitäten und Hochschulen, die Studiengänge auf Lehramt anbieten.