Jobkompass: Die Bewährungshelferin Ausgestreckte Hand und strenge Stimme
Ein offenes Ohr haben, Menschen in ein Leben ohne Kriminalität begleiten – das ist die Aufgabe der Bewährungshilfe. Klare Ansagen sind Teil der Jobbeschreibung.
Wenn jemand eine Straftat begeht, dann muss der Rechtsstaat durchgreifen, das stehe vollkommen außer Frage. Aber einmal kriminell, immer kriminell? Diese Sichtweise findet Lea schwierig. Klar, es gebe Fälle, auf die das zutrifft und die Betroffenen in einem Teufelskreis stecken. „Aber wir müssen uns vor allem die Gründe genau anschauen, warum jemand straffällig geworden ist“, sagt die 28-Jährige. „Im Idealfall lassen sich die Schwierigkeiten ausräumen, die einem Leben ohne Kriminalität im Wege stehen.“
Perspektiven aufzeigen, Ressourcen aktivieren, Hilfe zur Selbsthilfe leisten – das ist die eine Seite des Jobs. Die andere: im Namen des Gerichts kontrollieren, ob verurteilte Straftäterinnen und Straftäter sich an Auflagen halten. Lea-Marie Kröger ist Bewährungshelferin in Lübeck und engagiert sich bei der Deutschen Justizgewerkschaft (DJG). Zu ihr kommen in der Regel Menschen, die zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurden. Und Menschen, die länger als zwei Jahre inhaftiert waren.
Was die Delikte betrifft, landet alles auf ihrem Schreibtisch: von Fahren ohne Fahrerlaubnis und Beleidigung über Betrug, Diebstahl und Drogenhandel bis hin zu Raub, Körperverletzung und Totschlag. „Es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die sich spezialisieren, etwa auf Frauen oder Jugendliche“, erklärt Lea. „Und wer mit Sexualstraftäter*innen arbeitet, muss eine Zusatzausbildung absolviert haben.“
Von der eigenen Chefin erpresst
Vor einigen Jahren stand Lea noch mitten in einem anderen Beruf: Sie arbeitete als Erzieherin in einem Heim mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Eine Begegnung in dieser Zeit hat sie besonders geprägt: ein Junge, der bereits durch so viele Straftaten aufgefallen war, dass er gar keine Chance mehr hatte, auch als Person gesehen zu werden. „Er war immer nur der mit den vielen Straftaten“, sagt Lea. „Wir haben trotzdem mit ihm gearbeitet und konnten die Gründe für sein Verhalten aufarbeiten. Das hat mir gezeigt: Es ist nicht zielführend, wenn die Gesellschaft Menschen sofort abstempelt.“
Ob die Bewährungshilfe zu diesem Zeitpunkt bereits ein Thema ist? Nein, die Schleswig-Holsteinerin hat ganz andere Pläne: Sie will ihren Hund zum Therapiehund ausbilden lassen und ihn in ihre Arbeit einbeziehen. Doch ihre Vorgesetzte findet, dass sie ihr Potenzial ausschöpfen und studieren sollte.
So richtig überzeugt ist Lea nicht. „Als ich in den Urlaub fahren wollte, habe ich sie gefragt, ob sie auf meinen Hund aufpassen kann“ – die Vorgesetzte antwortet, dass sie das gerne macht. Aber eben nur, wenn sich Lea an der Hochschule einschreibt. „Sie hat mich quasi erpresst, aber im Nachhinein bin ich ihr dafür sehr dankbar.“
Auch ein Dealer bekommt etwas auf die Kette, schließlich hat er es geschafft, sich ein Geschäft aufzubauen. Warum soll er es nicht auch mit einem legalen Geschäft schaffen?
Lea-Marie Kröger
Im März 2020 beginnt die gelernte Erzieherin ihre zweite Ausbildung an der Fachhochschule in Kiel, die sie drei Jahre später als studierte Sozialarbeiterin verlässt. Ihr Anerkennungsjahr absolviert sie in der Bewährungshilfe. Sie begleitet ihre Mentorin zu Gesprächen, schreibt Berichte, führt später sogar eigene Gespräche mit Probandinnen und Probanden. Dies ist die Bezeichnung für alle, mit denen die Bewährungshilfe arbeitet. Hintergrund ist, dass die Betroffenen auf Probe in Freiheit sind und beweisen müssen, dass sie nicht erneut straffällig werden. Nach dem Anerkennungsjahr steht für Lea fest: Die Leidenschaft für den Job ist entfacht, sie möchte und darf bleiben. Seit April 2024 ist sie Teil des Teams, nun ohne Welpenstatus und mit voller Verantwortung.
Eigensicherung ist ein Thema
Die Mitarbeitenden in der Bewährungshilfe haben auch mit Straftaten zu tun, die teils schwer erträglich sind, darunter Gewalt- und Sexualstraftaten. „In solchen Fällen ist es natürlich wichtig, Psychohygiene zu betreiben und mit den Kolleg*innen in den Austausch zu gehen“, unterstreicht die Sozialarbeiterin, die mit gesundem Respekt in jedes Erstgespräch geht. Diese finden in der Regel im Büro statt, aber auch Hausbesuche sind möglich. Gibt es Sicherheitsbedenken, erfolgen die Gespräche im Zweierteam.
Hin und wieder kann die Arbeit frustrierend sein, wenn Probandinnen und Probanden nicht mitarbeiten und rückfällig werden. „Aber dem gegenüber stehen Fälle, in denen es genau umgekehrt läuft“ – und schließlich sei alles ein Prozess. Wer über Jahre Drogen genommen und sich den Konsum durch Beschaffungskriminalität finanziert hat, seit jeher Konflikte mit Gewalt gelöst hat, wird kaum von einem Tag auf den nächsten ein geregeltes Leben führen.
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Doch insgesamt sei es beeindruckend, wie viele letztlich doch eine intrinsische Motivation entwickeln, ihre Probleme in den Griff zu bekommen und Fortschritte machen. Die Drogensucht überwinden. Einen legalen Job finden. Kurzum: wieder – oder erstmals – ein Leben ohne Kriminalität führen. „Das ist extrem erfüllend und zeigt mir, warum ich die Arbeit mache!“
Eigenschaften, die im Job von Bedeutung sind? Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit und Durchsetzungsvermögen sind von Bedeutung. Ganz zentral ist nicht zuletzt eine positive Grundeinstellung gegenüber Menschen, unterstreicht Lea. „Auch ein Dealer bekommt etwas auf die Kette, schließlich hat er es geschafft, sich ein Geschäft aufzubauen. Warum soll er es nicht auch mit einem legalen Geschäft schaffen?“
Text: Christoph Dierking
FAQ: Wie werde ich Bewährungshelfer*in?
Welche Voraussetzungen muss ich für die Ausbildung mitbringen?
Für den Studiengang „Soziale Arbeit“ ist die Allgemeine Hochschulreife oder die Fachhochschulreife erforderlich. Einige Hochschulen lassen unter bestimmten Voraussetzungen auch Bewerber*innen zu, die eine fachlich passende Berufsausbildung gemacht haben.
Wie lange dauert die Ausbildung?
Die Regelstudienzeit beträgt sechs bis sieben Semester (Bachelor). Abhängig von Bundesland und Hochschule folgt darauf eine Praxisphase für die staatliche Anerkennung, das sogenannte Anerkennungsjahr. In vielen Studiengängen ist die Praxisphase bereits in die Regelstudienzeit integriert.
Übrigens: Alle, die in der Bewährungshilfe arbeiten möchten, müssen nicht zwingend auch dort das Anerkennungsjahr absolvieren!
Was sind zentrale Ausbildungsinhalte?
Im Fokus des Studiums stehen fachliche und methodische Kompetenzen der Sozialarbeit. Dazu gehören viele interdisziplinäre Grundlagen wie Psychologie, Pädagogik, Sozialwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre, Case Management, Soziologie und Rechtswissenschaften. Meistens beinhaltet das Studium auch einen Forschungsanteil. Darüber hinaus erlernen die Studierenden Gesprächsführung und Beratungstechniken.
Wo findet die Ausbildung statt?
Wer Soziale Arbeit studieren möchte, hat die Wahl zwischen Fachhochschulen, Universitäten und Berufsakademien in ganz Deutschland. In welchem Bereich und bei welchem Träger die Studierenden ihre Praxisphasen beziehungsweise das Anerkennungsjahr absolvieren, können sie in der Regel selbst entscheiden.
Was verdiene ich?
In der Regel erfolgt die Bezahlung in der Bewährungshilfe nach TV-L SuE, Entgeltgruppe S 15. Ausnahme ist Hessen.
Die Besoldungsstufen gehen in der Regel bis A12, in Leistungsfunktionen bis A13. In Baden-Württemberg, Hamburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist keine Verbeamtung möglich.
Die aktuellen Entgelt- und Besoldungstabellen veröffentlicht der dbb beamtenbund und tarifunion.
Welche Karrierechancen bieten sich mir nach der Ausbildung?
Grundsätzlich gilt: Wer in der Bewährungshilfe arbeitet, arbeitet vor allem als Bewährungshelfer*in. Es besteht die Option, sich zu spezialisieren, beispielsweise auf bestimmte Delikte- und Personengruppen (Jugendliche, Frauen).
Wo finde ich weitere Informationen?
Weitere Informationen bieten die Deutsche Justizgewerkschaft (DJG) und die Landgerichte, hier exemplarisch das Landgericht Lübeck.